Interessenabhängige Risikoverteilung im Auftragsverhältnis – das Beispiel der «clawback claims» im Fall Madoff
Verbindlichkeit oder Schaden – freiwillig oder unfreiwillig. Das Bundesgericht schnitt diese Frage im Zusammenhang mit dem Madoff-Betrugsfall an. Es hatte zu entscheiden, ob konkursrechtliche Rückforderungsansprüche von US-amerikanischen Konkursliquidatoren (sog. clawback claims) als Schäden oder als Verbindlichkeiten zu qualifizieren sind. So ausserordentlich und singulär dieser Sachverhalt auch scheint, so grundlegend ist die dahinterliegende Abgrenzungsfrage von Art. 402 OR: Im Ergebnis entscheidet sich daran, welche Partei im Auftragsverhältnis für ein Risiko einzustehen hat. Vorliegender Beitrag zeigt auf, wie eine angemessene Risikoverteilung bei der Abgrenzung zwischen Verbindlichkeit und Schaden berücksichtigt werden kann.
Inhaltsübersicht
- I. Einleitung
- II. Grundlagen zum Befreiungsanspruch gemäss Art. 402 Abs. 1 OR
- III. Risiko als Gegenstand des Auftrages
- IV. Das Abgrenzungsproblem
- V. Risikobasierte Lösungsansätze
- 1. Risikoverteilung wie bei hypothetischer Eigenvornahme
- 2. Risikoverteilung anhand des Zusammenhangs mit der Auftragsausführung: risikospezifische Zufallsschäden
- 3. Risikoverteilung wie im Arbeitsverhältnis: Berufsrisiken
- 4. Risikoverteilung anhand der Interessenlage der Parteien
- 5. Risiko und Informationspflicht
- VI. Fazit
I. Einleitung
Einer der grössten internationalen Betrugsfälle, derjenige rund um Bernhard «Bernie» Madoff, hinterliess seine Spuren auch in der Rechtsprechung zum schweizerischen Auftragsrecht: In einer Reihe von Urteilen beschäftigte sich das Bundesgericht1 – vereinfacht und zusammengefasst – mit folgendem Sachverhalt:2 Schweizerische Vermögensverwalter investierten treuhänderisch für ihre…