Direkt zum Inhalt

Heft Nr. 4

30. November 2018

Grundsatzbeitrag
Strafantrag als Prozesshindernis? - Anmerkungen zur jüngsten bundesgerichtlichen Praxis zum Strafantrag
S. 195
In konstanter Praxis vertrat das Bundesgericht bisher die Auffassung, die Strafanzeige der geschädigten Person enthalte in der Regel auch einen entsprechenden Strafantrag. Es war somit nicht erforderlich, einen expliziten «Strafantrag» zu stellen bzw. ihn als solchen zu bezeichnen. Dieser (laienfreundlichen) Handhabung stehen zwei jüngere Entscheide des Bundesgerichts entgegen, mit denen höhere Hürden für die Strafantragstellung statuiert wurden. Ob dies wirklich beabsichtigt war, bleibt jedoch unklar, da weder eine Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung erfolgte noch von einer Praxisänderung die Rede war. So oder anders erscheint die Einführung zusätzlicher Hürden für die strafantragstellende Person nicht sachgerecht.
Vertiefungsbeiträge
Die grosse Aktienrechtsrevision im Lichte der internationalen Corporate-Governance-Debatte
S. 205
Ein Hauptziel der laufenden Aktienrechtsrevision besteht in der Verbesserung der Corporate Governance. Dabei handelt es sich nicht nur in der Schweiz, sondern auch international um ein Leitthema der Unternehmensregulierung. Der vorliegende Beitrag stellt die Revisionsvorlage des Bundesrates in den Kontext der internationalen Corporate-Governance-Debatte und würdigt die Änderungsvorschläge kritisch.
Wirkungsanalyse von Kernbeschränkungen im Kartellrecht - eine Auslegeordnung
S. 228
Der vorliegende Beitrag analysiert die vom Bundesgericht im Gaba-Urteil entwickelten Formeln zum «Grundsatz der Erheblichkeit» von Kernbeschränkungen (Preis-, Mengen- und Gebietsabreden) sowie zur «Bagatellausnahme» mit Blick auf deren Einordnung im System von Art. 5 KG. Dazu werden die von der Praxis zur Prüfung der Erheblichkeit von Kernbeschränkungen entwickelten Kriterien untersucht und geordnet, ein Überblick über die verschiedenen Theorien zum Erheblichkeitserfordernis vermittelt und der Grundsatzentscheid gemäss Gaba-Urteil erläutert. Gestützt darauf wird geprüft, ob noch Raum für Bagatellausnahmen besteht und nach welchen Kriterien diese Ausnahmen bestimmt werden könnten.
Die Haftung des Altruisten
S. 246
Der Altruist haftet milder als der Egoist. Diesen Grundsatz hält Art. 99 Abs. 2 OR ausdrücklich fest. Die Auslegung der Norm ist jedoch höchst umstritten. Einige Autoren betrachten sie als Schadenersatzbemessungsregel. Andere siedeln sie bei den Haftungsvoraussetzungen an – mit der Konsequenz, dass die Haftung bei Uneigennützigkeit unter Umständen ganz entfällt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Streitfrage war bereits unter der Geltung des alten Obligationenrechts von 1881 uneinheitlich – und sie ist es noch immer. Dieser Beitrag verschafft einen Überblick und analysiert die bundesgerichtliche Rechtsprechung der letzten 130 Jahre. Er kommt zum Schluss, dass Art. 99 Abs. 2 OR keine Schadenersatzbemessungsregel darstellt, sondern bei den Haftungsvoraussetzungen – genauer: bei der vom Schuldner zu beachtenden Sorgfalt – anzusiedeln ist.
Im Fokus
Richter in eigener Sache: Über die relative Immunität von Parlamentariern
S. 255
Alt Nationalrat Christian Miesch wird verdächtigt, für die Einreichung einer Interpellation Geld entgegengenommen und sich damit strafbar gemacht zu haben. Erstmals wurde nun die relative Immunität eines (ehemaligen) eidgenössischen Parlamentariers aufgehoben. Dieser begrüssenswerte Entscheid darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Strafverfolgung der Willkür der Parteipolitik entzogen werden muss.