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Aus der Zeitschriftrecht 5/2011 | S. 175–192Es folgt Seite №175

Tücken der Notwehr – Abirrungen, Irrtümer und allerlei Gefahren für unbeteiligte Dritte bei Notwehrhandlungen

Im vorliegenden Beitrag loten wir die umstrittenen Grenzen der Notwehr aus und beantworten die Frage, wie weit die Unrechtsabwehr gehen darf, wenn bei der Notwehrhandlung Rechtsgüter von unbeteiligten Drittpersonen verletzt werden. Dass sich der Angegriffene in einer Notwehrsituation verteidigen darf, ist unbestritten. Da er dabei naturgemäss kaum ruhig und berechnend vorgehen kann, nicht zuletzt weil die Notwehrsituation oft sehr chaotisch ist, geschieht es nicht selten, dass mit der Notwehrhandlung der Angreifer verfehlt und eine am Angriff unbeteiligte Person getroffen wird oder dass sich der Angegriffene irrt und sich gegen den falschen «Angreifer» wehrt. Im Folgenden zeigen wir insbesondere auf, wie solche Konstellationen der aberratio ictus einerseits und des error in persona andererseits im Zusammenwirken mit Grundsätzen der Notwehr bzw. des Notstandes zu beurteilen sind.

I. Einleitung

Das Recht auf Notwehr gilt als Archetypus eines naturgegebenen Rechts: Es entspricht einem elementaren menschlichen Gerechtigkeitsempfinden, dass sich Menschen gegen Angriffe verteidigen dürfen.1 Umstritten sind aber der Umfang und die Grenzen des Notwehrrechts.2 Die Frage, wie weit erlaubte Unrechtsabwehr gehen darf, wird vor allem dann besonders brisant, wenn bei der Notwehrhandlung…

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