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Aus der Zeitschriftrecht 1/2021 | S. 15–27Es folgt Seite №15

Der Verweis auf die Entscheidbegründung der Vorinstanz gemäss Art. 82 Abs. 4 StPO

Kritische Überlegungen zum Umgang mit dem angefochtenen Entscheid in Theorie und Praxis

Art. 29 Abs. 2 BV verpflichtet die Gerichte, ihre Entscheide zu begründen. Nach konstanter Praxis des Bundesgerichts lässt es der verfassungsrechtlich vorgegebene Begründungszwang unter bestimmten Voraussetzungen zu, dass Gerichte im Rechtsmittelverfahren auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid verweisen können. Ungeachtet dessen hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, mit Art. 82 Abs. 4 StPO eine spezifisch strafprozessuale Verweisungsnorm zu schaffen. Die Notwendigkeit der Bestimmung ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, ihre praktische Bedeutung dafür umso mehr, musste sich das Bundesgericht doch bereits des Öfteren zu Grund und Grenzen von Art. 82 Abs. 4 StPO äussern. Dabei fällt auf, dass die hierzu ergangene Rechtsprechung nicht vollends abgestimmt ist auf Art. 29 Abs. 2 BV. Sie läuft im Ergebnis darauf hinaus, erstinstanzlichen Entscheiden nicht diejenige Bedeutung beizumessen, die ihnen zukommen sollte.

I. Einleitung

Bereits sehr früh in seiner Rechtsprechung stellte das Bundesgericht klar, zum Wesen eines Urteils gehöre, dass es begründet sei.1 Intuitiv wird man dem kaum widersprechen können; bei näherer Betrachtung ergeben sich jedoch zahlreiche Zweifelsfragen. Sie betreffen nicht nur die Modalitäten der Entscheidmotivierung, sondern rütteln in bestimmten Fällen auch an der Absolutheit des…

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