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Numéro 3

29. août 2017

Contribution fondamentale
Sondermethodik zur wirtschaftsrechtlichen Rechtsanwendung?
p. 141
Das Wirtschaftsrecht – beispielsweise Gesellschafts-, Finanzmarkt-, Wettbewerbs-, Steuer- oder Konzernrecht – ist ein selbständiges Rechtsgebiet nebst öffentlichem, Privat- sowie Strafrecht. Bei dessen Anwendung durch die Behörden oder die Gerichte gilt die übliche Interpretationsmethodik («pragmatischer Methodenpluralismus»), im Vordergrund stehen grammatikalische, historische, systematische und teleologische Auslegungselemente. Im Wirtschaftsrecht sind zusätzlich methodische Besonderheiten zu thematisieren, auf die – kritisch – eingegangen werden soll; als Beispiele: rechtsvergleichendes Auslegungselement, funktionale Auslegung, wirtschaftliche Betrachtungsweise oder ethische Interpretation.
Contributions d'approfondissement
Geografische Preisdiskriminierung - wettbewerbsrechtliche Grenzen und Grenzen des Wettbewerbsrechts
p. 157
Die «Hochpreisinsel Schweiz» ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Eine Ursache ist, dass Unternehmen teilweise ihre Produkte in der Schweiz zu einem höheren Ex-factory-Preis verkaufen als im Ausland. Dieser Beitrag untersucht, wie solche internationale Preisdifferenzierungen, die allein auf der Herkunft der Nachfrager basieren, wettbewerbsrechtlich zu beurteilen sind. Dabei wird insbesondere die Schnittstelle zwischen kartell- und binnenmarktrechtlichen Diskriminierungsverboten beleuchtet. Es wird rechtsvergleichend aufgezeigt, dass die Schweiz und die EU geografische Preisdiskriminierungen aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Instrumenten bekämpfen.
Judizieren contra legem
p. 180
Eine Argumentation contra legem ist die «Todsünde» eines dogmatisch argumentierenden Juristen, namentlich von Richterinnen und Richtern. Sich von den Grenzen des geltenden Rechts lösende, rechtspolitische De-lege-ferenda-Erwägungen sind lediglich ausserhalb des dogmatischen Diskurses legitim, wobei allerdings zu betonen ist, dass eine trennscharfe Abgrenzung wegen der unscharfen Ränder der lex lata nicht möglich ist. Contra legem argumentiert, wer die ratio legis missachtet. Der Wortsinn, selbst der klare Wortsinn eines Normtexts, kann trügerisch sein und den «wahren Rechtssinn» nicht korrekt zum Ausdruck bringen. Daher sind teleologische Reduktionen, teleologische Extensionen und Analogieschlüsse, die sich vom klaren Wortlaut des Gesetzes lösen, aber die «Normsinngrenze» beachten, keine Beispiele des Argumentierens contra legem.
Vom (zweifelhaften) Nutzen von Strafverfahren für die Durchsetzung von Zivilansprüchen
p. 187
«Der Zivilprozess dient der Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche – das ist unbestritten. Weniger klar ist dagegen, inwiefern das Strafverfahren neben seinem Hauptzweck, der Strafverfolgung, auch die Durchsetzung von Zivilansprüchen der geschädigten Person fördern soll. Das Verhältnis zwischen Strafverfahren und ‹separatem› Zivilprozess ist kaum geregelt, doch auch mit Blick auf das Adhäsionsverfahren stellen sich rechtliche und taktische Fragen. Der Beitrag beleuchtet Chancen und Risiken der Kombination von Zivil- und Strafverfahren aus einer zivilrechtlichen Perspektive.»
«Smart Contracts» und deren Einordnung in das schweizerische Vertragsrecht
p. 204
Die Blockchain-Technologie ist zurzeit in aller Munde. Der vorliegende Aufsatz widmet sich Smart Contracts und deren Einordnung in das schweizerische Vertragsrecht. Der Fokus liegt dabei auf der Qualifikation möglicher Rechtsverhältnisse zwischen Nutzern, Minern und Blockchain-Entwicklern sowie auf den Rechtsfolgen bei Diskrepanzen zwischen Smart Contracts und Verträgen im rechtlichen Sinne. Im Rahmen eines Ausblicks wird schliesslich die Frage erörtert, welche Bedeutung Verträgen in einer Zukunft mit sicheren, autonomen und pseudonymen Systemen zukommen wird.
En point de mire
Dresscodes: Verhüllungsverbote im liberalen Rechtsstaat
p. 225
Braucht die Schweiz ein nationales Verhüllungsverbot? Ungeachtet ihrer geringen praktischen Relevanz haben sich «Burka-Verbote» zu einem Kristallisationspunkt der rechtspolitischen Diskussion über die Integration religiös-weltanschaulicher Vielfalt in Europa entwickelt. Der Beitrag setzt sich mit den Argumenten der Volksinitiative für ein nationales Verhüllungsverbot auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass ein generelles Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum mit der liberal-pluralistischen Konzeption der Schweizer Bundesverfassung nicht vereinbar wäre.