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Heft Nr. 4

1. Dezember 2017

Grundsatzbeitrag
Die Landesverweisung - neue Aufgaben und Herausforderungen für die Strafjustiz
S. 231
Die strafrechtliche Landesverweisung ist seit 1. Oktober 2016 in Kraft. Sie stellt die Strafbehörden vor neue Herausforderungen, denn damit wurde die Entscheidkompetenz in komplexen ausländerrechtlichen Fragen Institutionen übertragen, die nicht über dieselbe Sachkenntnis und Erfahrung verfügen wie die Migrationsbehörden selber. Die neue Landesverweisung fordert den Strafbehörden einen deutlichen Mehraufwand in Bezug auf die Verfahrenserledigung ab. Sie führt zu höheren Kosten für die amtliche Verteidigung und zu einer Verlängerung von Verfahren von teils geringfügiger Bedeutung. Auch erschwert sie die Durchführung vereinfachter Verfahren. Die Landesverweisung bezieht sich auf Ausländerkriminalität und verlangt die Ausweisung von in der Schweiz anwesenden Ausländern, die wegen bestimmter Delikte verurteilt wurden, verbunden mit einem Einreiseverbot. Sie ist im Strafgesetzbuch unter den «anderen Massnahmen» eingereiht, wobei fraglich ist, ob es sich um eine eigentliche Massnahme handelt oder ob sie vorwiegend pönalen Charakter aufweist.
Vertiefungsbeiträge
Unternehmensspenden: Zuständigkeit, Grenzen und Handlungsoptionen gemäss schweizerischem Aktienrecht
S. 251
Spenden sind i.d.R. mit einem wohltätigen Zweck verbunden. Auch für Unternehmen sind Spenden nicht nur aus steuerrechtlichen Überlegungen sinnvoll, wie in diesem Beitrag aufgezeigt wird. Im schweizerischen Aktienrecht werden Spenden jedoch weder definiert noch legiferiert. Für die Beurteilung der Zuständigkeit zum Spendenbeschluss und der Zulässigkeit der Spende sind die allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätze – insbesondere (i) die Delegationsmöglichkeiten, (ii) der statutarische Zweck, (iii) das Unternehmensinteresse im Einzelfall sowie (iv) der Endzweck der Gewinnstrebigkeit – heranzuziehen. Für die Folgen bei unzulässigen Spenden ist sodann zu unterscheiden, ob der Beschluss interessenwidrig oder gar (end)zweckwidrig ist.
Macrotron oder Frosta?
S. 278
In der Schweiz ist die Kompetenz, einen Delisting-Beschluss zu fassen, de lege lata gesetzlich nicht zugeteilt. Aus diesem Grund soll untersucht werden, ob der Entscheid zum Rückzug von der Börse in der Schweiz eine GV- oder eine VR- Kompetenz darstellt und ob die entsprechende Kompetenzzuweisung gerechtfertigt erscheint. Um dies zu beurteilen, wird unter anderem einerseits ein Blick nach Deutschland und andererseits ein Blick in eine mögliche Zukunft des schweizerischen Aktienrechts gewagt.
Können sich öffentliche Unternehmen auf die Wirtschaftsfreiheit berufen?
S. 290
Der Kanton Aargau verpflichtete seine Pensionskasse, einen Auftrag zur Liegenschaftensanierung öffentlich auszuschreiben. Die Pensionskasse erblickte darin eine Verletzung ihrer Wirtschaftsfreiheit und rief das Bundesgericht an. Dieses liess die Frage nach der Grundrechtsberechtigung öffentlicher Unternehmen offen (BGE 142 II 369 E. 6.3 f.). Der vorliegende Beitrag kommt zum Schluss, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts sich nicht auf die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) berufen können. Staatlich beherrschte, juristische Personen des Privatrechts sind dagegen Grundrechtsträger, wenn sie eine freiwillige Tätigkeit im Wettbewerb ausüben.
Prinzipienjurisprudenz?!
S. 300
Begriffsjurisprudenz nennt man sie, Prinzipienjurisprudenz sollte sie heissen. Jherings Polemik von 1884 ist bekannt und nach wie vor Schulwissen, anders seine eigentliche Position. Damit ist aber das wirkliche Problem, die juristische Begriffsbildung und -darstellung gar nicht erfasst. Der wirkliche Gegner der modernen Methodenströmungen seit um 1900 ist nicht eine «Scherz und Ernst»-Schimäre wie die Begriffsjurisprudenz, sondern die Prinzipienjurisprudenz, wie sie seit Savigny entworfen worden war und keineswegs erledigt ist. Diese entstand im Kontext des Wandels zu modernen Verfassungen seit 1789, ist in ihm und durch ihn begründet und damit nach wie vor gerechtfertigt.
Im Fokus
Die türkische Justiz im Herbst 2017
S. 313
Am 15. Juli 2016 fand in der Türkei ein Putschversuch statt. Im Anschluss an dessen Niederschlagung begann das türkische Regime eine beispiellose «Säuberungswelle» gegen alle staatlichen Institutionen. Der Beitrag zeigt die Situation der türkischen Justiz vor diesem Zeitpunkt auf und legt dar, wie sie von dieser «Säuberungswelle» betroffen wurde. Dargestellt wird sodann, wie die Europäische Richtervereinigung zu helfen versucht.
Universitäres
Prof. Walther-Hug-Preise 2017
S. 317
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