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Heft Nr. 2

30. Mai 2017

Grundsatzbeitrag
Kantonsgründung, Sezession und Inkorporation im Bundesstaat
S. 67
Die Gründung eines neuen Kantons, der Austritt eines Kantons aus der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Sezession) und die Inkorporation ausländischen Territoriums werfen grundlegende Fragen auf in Bezug auf die jeweils verfassungsrechtlich notwendigen Voraussetzungen. Der Beitrag zeichnet die wesentlichen Ereignisse der jüngeren Verfassungsgeschichte nach, zeigt deren Auswirkungen auf und erörtert eingehend die zentrale Verfassungsbestimmung über Bestand und Gebiet der Kantone (Art. 53 BV). Mit Blick auf die drei unterschiedlichen Konstellationen werden die einzelnen Verfahrensschritte hergeleitet und in zeitlicher Hinsicht aufeinander abgestimmt. Die Vielfalt und Komplexität der sich ergebenden Rechtsfragen auf beiden bundesstaatlichen Ebenen, im Verhältnis zwischen den betroffenen Kantonen und dem Bund und ebenso in Bezug auf eine allfällige Veränderung der Aussengrenzen der Schweiz offenbaren die Grenzen des geltenden Verfassungsrechts. Es kann den geschilderten Herausforderungen in der Rechtspraxis nur bedingt gerecht werden und lässt wesentliche Aspekte ungeklärt.
Vertiefungsbeiträge
Freiheitsentziehende Massnahmen im schweizerischen Strafrecht
S. 81
Strafrechtliche Massnahmen reichen, besonders wenn sie mit einem Freiheitsentzug verbunden sind, hinsichtlich ihrer Eingriffsschwere oftmals über die klassische Sanktionsform der Strafe hinaus. Umso wichtiger ist es, ihre rechtlichen Schranken zu präzisieren. Anders als im Bereich der Strafen bestehen hier nach wie vor zahlreiche offene Fragen. Zu klären ist bereits, ob sich auch von strafrechtlichen Massnahmen betroffene Personen auf grundlegende Prinzipien des Strafrechts, wie das Rückwirkungsverbot oder den Grundsatz «ne bis in idem», berufen können. Die Beantwortung dieser Frage bildet den Einstieg in die nachfolgende Betrachtung der freiheitsentziehenden Massnahmen des schweizerischen Strafrechts (II.). Im Anschluss folgt ein Überblick über die Anordnungsvoraussetzungen der stationären therapeutischen Massnahmen und der Verwahrung, wobei die wichtigsten dieser Merkmale einer kritischen Würdigung unterzogen werden (III.). In einem letzten Schritt soll das Augenmerk auf den Massnahmenvollzug gerichtet werden, mithin auf die Frage, in welchem Umfang in der Praxis dem dieser Sanktionsform zugedachten Zweck tatsächlich nachgelebt wird, und darauf wie sich dies auf die Zulässigkeit der Massnahmen auswirkt (IV.).
TPO und Corporate Governance
S. 100
Am 12. Januar 2016 wurde Neymar da Silva Santos Júnior, kurz «Neymar», am Ballon d’Or zum drittbesten Fussballspieler der Welt gekürt. Seit seinem Transfer zum FC Barcelona gehört der Brasilianer zu den weltweit teuersten Fussballspielern.1 Um sich Neymar leisten zu können, musste der katalanische Spitzenverein 2013 eine Ablösesumme von 57,1 Millionen Euro stemmen.2 Davon erhielt der den Spieler bis zu diesem Zeitpunkt beschäftigende FC Santos allerdings nur einen Bruchteil von 17 Millionen Euro. Der Rest floss Gesellschaften und Investorengruppen zu, die sich frühzeitig vermögenswerte Rechte bei einem potenziellen Transfer des Spielers gesichert hatten.3 Der Fall Neymar schildert nur einen von zahlreichen Transfers, in welchen es Drittpersonen durch die Beteiligung an Transferrechten professioneller Fussballspieler gelang, bemerkenswerte Erträge zu generieren.4 Diese sogenannten Third Party Ownerships (nachfolgend TPO) trieben in verschiedenen Fällen bemerkenswerte Blüten: Gewissen Klubs gelang es dank ausgeklügelten Scouting-Systemen mit TPO-Agreements, namhafte Fussballspieler ohne nennenswerte Eigeninvestitionen zu verpflichten und ihre Konkurrenzfähigkeit so trotz limitierten finanziellen Möglichkeiten markant zu steigern. Andere wiederum scheiterten aufgrund unvorteilhafter TPO-Vereinbarungen, welche im schlimmsten Fall gar den Niedergang des Klubs bedeuten konnten. Solche Entwicklungen führten schliesslich zum Verbot der TPO durch den Weltfussballverband FIFA, welches am 1. Januar 2015 mit dem Art. 18ter des Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (nachfolgend RSTS) für sämtliche der FIFA angeschlossenen Klubs in Kraft trat. Im folgenden Beitrag wird die TPO kurz vorgestellt und danach auf die spezifische Problematik, welche derartige Investments für die Corporate Governance von Schweizer Super-League-Klubs darstellen können, eingegangen.5
eBook - myBook oder yourBook?
S. 109
Die Leser erhalten durch E-Books viele Vorteile. Sie benötigen nur wenig Platz für ihre Bibliothek und können über ein Lesegerät weltweit auf ihre Bücher zugreifen. Aus einer rechtlichen Sicht ist der Erwerb von E-Books allerdings mit Unsicherheiten verbunden. Gehen die Parteien wie beim Erwerb von herkömmlichen Büchern einen Kaufvertrag ein oder ermöglicht die Buchhandlung dem Kunden lediglich eine eingeschränkte Nutzung des Werkes? Darf der Erwerber das Buch an Dritte weitergeben? Und was passiert mit den Kundendaten, welche der Buchhändler vor und nach der Textübermittlung erhält? Der vorliegende Beitrag befasst sich mit diesen privatrechtlichen Fragen rund um den Vertrag zwischen den Erwerbern und Anbietern elektronischer Bücher.
Los- oder Stichentscheid? - Wahl zwischen Pest und Cholera
S. 125
In seinem zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil 4A_579/2016 vom 28. Februar 2017 hat das Bundesgericht entschieden, dass die nachträgliche Einführung des Stichentscheids des Vorsitzenden an der Generalversammlung gegen das Gebot der schonenden Rechtsausübung verstosse. Dadurch hat es seine in BGE 95 II 555 begründete liberale Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Stichentscheids des Vorsitzenden an der Generalversammlung erheblich beschränkt.
Im Fokus
Kinder ohne Salomon
S. 137
Die Verdingkinder des 20. Jahrhunderts – noch bis 1981 – stellen ein trauriges Kapitel der Schweizer Geschichte dar, das nun – so gut es geht – zum Abschluss kommt. Mit Genugtuungszahlungen ist es jedoch nicht getan. Man muss sich auch fragen: Wurden die nötigen Lehren gezogen? Die Antwort lautet aus heutiger Sicht positiv und kraftvoll: Die Schweiz feiert das 20-Jahr-Jubiläum des Beitritts zur Kinderrechtskonvention. Man sollte also meinen, dass nichts mehr schiefgehen kann. So einfach ist es nicht. Eher ist zu beobachten, dass es noch zu viele Kinder gibt, die auf mehr Gerechtigkeit hoffen dürfen, auch wenn deren Zahl mit derjenigen der Verdingkinder nicht vergleichbar ist.