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Heft Nr. 2

30. Mai 2016

Abhandlungen
Die Beschwerdebefugnis des Gemeinwesens nach Art. 89 Abs. 1 BGG
S. 71
Das Bundesgericht anerkennt in ständiger Rechtsprechung die Beschwerdebefugnis von Gemeinwesen gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel, falls diese gleich oder ähnlich wie Privatpersonen oder aber in hoheitlichen Befugnissen berührt sind. Die Praxis zu diesen beiden Fallgruppen ist nicht gefestigt. Insbesondere die Betroffenheit in vermögensrechtlichen Interessen führt immer wieder zu heiklen Abgrenzungsfragen. Es fehlt an überzeugenden Kriterien, um die beiden Fallgruppen gegeneinander abzugrenzen. Von den beiden Fallgruppen werden zudem sehr unterschiedliche Konstellationen erfasst, die sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner zurückführen lassen. Darüber hinaus ist die Regelung des allgemeinen Beschwerderechts auf Privatpersonen zugeschnitten, die in ihren privaten Interessen berührt sind. Sie passt hingegen nicht auf die Geltendmachung hoheitlicher Interessen. Entsprechend bekundet das Bundesgericht beträchtliche Schwierigkeiten, eine einigermassen kohärente Praxis zu entwickeln. Aus diesen Gründen wird im Rahmen dieses Beitrags eine grundsätzliche Reform der Beschwerdebefugnis von Gemeinwesen vorgeschlagen.
Der Verleihvertrag nach AVG, die Vermittlungsentschädigung und das Verhältnis zum Mäklervertragsrecht
S. 86
Beim Personalverleih handelt es sich um ein Dreiparteienverhältnis. Beteiligt sind der Verleiher, der Arbeitnehmer und der Einsatzbetrieb. Die vorliegende Abhandlung befasst sich mit der vertraglichen Beziehung zwischen dem Verleiher und dem Einsatzbetrieb und versucht, Fragen in Bezug auf die Ausgestaltung des zwischen ihnen bestehenden Verleihvertrages zu beantworten. Schliesslich wird dargelegt, in welchem Verhältnis das Verleih- zum Mäklervertragsrecht steht und weshalb Letzteres keine alternative Grundlage für Ansprüche aus einem ungültigen Verleihvertrag darstellt.
Cyberbullying - aus strafrechtlicher Sicht
S. 100
Elektronische Medien sind aus dem Alltag Jugendlicher kaum wegzudenken. Nicht selten werden persönliche Daten unüberlegt preisgegeben. Kompromittierende oder diffamierende Bilder und Videoaufnahmen lassen sich im Cyberspace in Kürze verbreiten und nur schlecht wieder entfernen. Cyberbullying umschreibt eine elektronische Form eines Mobbings, die das Opfer mittels moderner Kommunikationstechnologien einschüchtert, belästigt und blossstellt. Laut einer neueren Studie berichten über ein Fünftel der Jugendlichen in der Schweiz, dass sie bereits jemand online habe «fertigmachen» wollen. Cyberbullying kann zu Angstzuständen und Depressionen bis hin zum Suizid führen. Das Schweizer Strafrecht kennt keinen spezifischen Tatbestand, der Cyberbullying unter Strafe stellt. Auch gibt es in der Schweiz kaum gerichtliche Entscheide zu diesem Phänomen, weil viele Delikte wohl gar nicht erst zur Anzeige gelangen. Genügt das geltende strafrechtliche Instrumentarium, um die für Cyberbullying einschlägigen Handlungen zu ahnden, oder besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf?
Ausgewählte Probleme verdeckter Fahndung und (Vor-)Ermittlung nach StPO und kantonaler Polizeigesetzgebung
S. 112
Unter dem Geltungsbereich des Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung BVE fällte das Bundesgericht im Jahre 2008 in BGE 134 IV 266 (sog. Chatroom-Fall) einen wegweisenden Entscheid, indem es sich von der bis dahin herrschenden Doktrin über die Handhabung von verdeckter Fahndung und Ermittlung distanzierte. Es definierte neu jedes Anknüpfen von Kontakten mit der Verdachtsperson durch einen nicht als solchen erkennbaren Polizeibeamten zwecks Ermittlung als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE – unabhängig vom Vertrauensverhältnis und von der Intensität von Eingriff und Täuschung. Inzwischen wurde die Gesetzgebung sowohl auf nationaler Ebene durch eine StPO-Revision als auch auf kantonaler Ebene durch entsprechende Anpassungen der Polizeigesetzgebung (insbesondere im Hinblick auf präventive Einsätze der Polizei) an die Rechtsprechung angepasst. In der polizeilichen Praxis haben sich in der Zwischenzeit diverse Unklarheiten ergeben, wovon im Folgenden einige aktuelle Fragestellungen vertieft abgehandelt werden.