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Aus der Zeitschriftrecht 4/2013 | S. 153–162Es folgt Seite №153

Was sind öffentliche Aufgaben?

Dem Begriff der öffentlichen Aufgabe (tâche publique) kommt im Staats- und Verwaltungsrecht eine Schlüsselfunktion zu. Der Begriff zeichnet die Demarkationslinie zwischen Staat und Gesellschaft. Wer öffentliche Aufgaben wahrnimmt, bewegt sich in der Sphäre des Staates, auch wenn es sich um ein privates Unternehmen handelt. Umgekehrt sind Tätigkeiten öffentlicher Institutionen ausserhalb des gesetzlich umschriebenen Aufgabenbereichs der Privatwirtschaft zuzurechnen. Die Frage, ob eine öffentliche Aufgabe vorliegt, hat vielfältige Auswirkungen auf die Rechtsanwendung. So sind öffentliche Aufgabenträger an die Grundrechte gebunden, und der Geltungsbereich zahlreicher Gesetze hängt davon ab, ob in Erfüllung öffentlicher Aufgaben gehandelt wird. Daher erstaunt es, dass der Begriff der öffentlichen Aufgabe in der Staats- und Verwaltungsrechtslehre keine scharfen Konturen aufweist und uneinheitlich verwendet wird. Der vorliegende Beitrag versucht, mithilfe einer Analyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein einheitliches Bild zu gewinnen und die einzelnen Elemente des Begriffs zu bestimmen.

1. Rechtliche Relevanz des Begriffs

Dem Begriff der öffentlichen Aufgabe – bzw. verwandten Begriffen wie «Staatsaufgabe» oder «Verwaltungsaufgabe» – kommt zunächst verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Von grosser Tragweite ist die Bestimmung zur Grundrechtsbindung in Art. 35 Abs. 2 BV1: Wer öffentliche Aufgaben («staatliche Aufgaben») wahrnimmt, ist an die Grundrechte gebunden und verpflichtet,…

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