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Aus der Zeitschriftrecht 3/2014 | S. 144–144Es folgt Seite №144

Erasmus: Mobilität bleibt möglich, Netzwerke gehen verloren

Am 26. Februar 2014 beschloss die EU das Nein zur Schweizer Teilnahme am «Erasmus+»-Programm. Die Reaktionen darauf waren zahlreich und das Medienecho war gross, wobei die Folgen dieses Entscheids kontrovers diskutiert wurden. Rund drei Monate nach dieser Entscheidung lassen sich nun erste Aussagen zu den Folgen machen.

Dank der relativ rasch getroffenen Entscheidung auf Bundesebene, dass eine Erasmus-Übergangslösung erarbeitet werden soll, konnten die Schweizer Universitäten zügig mit der systematischen Erfassung derjenigen Partneruniversitäten beginnen, welche einer weiteren Zusammenarbeit ausserhalb des «Erasmus+»-Programms zustimmen und welche nicht.

Die Partneruniversitäten lassen sich entsprechend in drei Gruppen einteilen: Eine Mehrheit erklärt sich zu einer weiteren Zusammenarbeit bereit. Eine zweite weit kleinere Gruppe von Universitäten hat noch keine Rückmeldung zur weiteren Zusammenarbeit gegeben. Die letzte Gruppe sieht sich meist aus administrativen Gründen nicht in der Lage, die Zusammenarbeit 2014/15 unter den aktuellen Umständen fortzuführen. Diese setzt sich aus vergleichsweise wenigen, aber durchaus wichtigen Universitäten in unterschiedlichen EU-Staaten zusammen.

Dass das Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit überwiegt, ist zum Teil auch dem Entscheid des Bundesrates zu verdanken, dass der Bund die Mobilitätsstipendien in beide Richtungen (In und Out) finanzieren wird, wobei die genauen Beträge bis heute noch offen sind. Als Land mit hohen Lebenshaltungskosten ist das Mobilitätsstipendium sehr wichtig für die in die Schweiz kommenden Austauschstudierenden. Das Stipendium ist demnach auch ein Mittel zur Förderung der Reziprozität der Mobilitäten, welche wiederum zentral ist für die langfristige Sicherung der Zusammenarbeit.

Die Situation auf der Ebene der Partnerhochschulen überträgt sich natürlich auch auf die Studierenden. Nicht wenige der Schweizer Studierenden, welche sich zum Teil noch vor dem 9. Februar 2014 für einen Mobilitätsaufenthalt angemeldet hatten, konnten nicht für die gewünschte Gastuniversität nominiert werden und mussten auf andere Universitäten ausweichen. Aufseiten der erwarteten Austauschstudierenden aus Europa haben einige Schweizer Universitäten bis heute deutlich weniger Anmeldungen erhalten, während andere mehr Anmeldungen verzeichnen. Eine überraschende Entwicklung, welche auf grosse Unterschiede bei den Partneruniversitäten bezüglich des internen Umgangs mit der Situation hindeutet (z.B. Information an die Studierenden).

Der Bundesrat hat bei der Übergangslösung für Erasmus die Priorität klar auf die Mobilität im Tertiärbereich gelegt. Kurzfristig können damit die negativen Folgen des Ausschlusses vom «Erasmus+»-Programm in Grenzen gehalten werden. Doch langfristig verliert die Schweiz unweigerlich den Zugang zu wichtigen europäischen Netzwerken, denn der Sonderstatus verunmöglicht eine einheitliche Zusammenarbeit mit allen europäischen Universitäten sowie die direkte Vernetzung mit ihnen. Ob die Partnerschaften langfristig erhalten werden können, wird sich zeigen. Zudem hat Erasmus+ weit mehr zu bieten als nur die Mobilität. So kann die Schweiz zum Beispiel bei Projekten wie den strategischen Partnerschaften, bei welchen mindestens drei europäische Universitäten gemeinsam an ganzheitlichen Bildungs- oder Forschungsprojekten arbeiten, statt der Führungsrolle nur noch eine Statistenrolle übernehmen. Dies steht im klaren Gegensatz zum Schweizer Anspruch auf Exzellenz in Bildung und Forschung.

  1. * Veronika Favre, Erasmus-Koordinatorin, Dienststelle für internationale Beziehungen, Universität Freiburg